Michael G. Fritz
Tante Laura
Roman
192 S., geb. mit SchU
ISBN 978-3-89812-563-5
Plötzlich sind nebenan gebauschte Laken zu sehen und der leichte Sommerwind trägt Rock-and-Roll-Klänge an ihren Frühstückstisch. Aber der Nachbar hat noch nie Feriengäste beherbergt. Bald darauf stellt sich heraus, dass die Frau nackt sein muss, die sich hinter den Stofffahnen der Sonne hingibt. Martin und seine Frau Katja, die mit ihren Söhnen Robert und Florian schon seit Jahren beim alten Jeske im Haus am Bodden den Urlaub verbringen, können gar nicht anders als neugierig sein. Außer dass Martin fast jeden Morgen mit Jeske zum Angeln aufs Wasser fährt, passiert in einem abgelegenen Ort an der Ostsee nicht viel. Aber das ändert sich, als sich in der unbekannten Frau Martins längst vergessene Tante Laura zu erkennen gibt: die jüngere Schwester von Martins Mutter, irgendwann nach Südamerika ausgewandert. Plötzlich geht es um Leben und Tod.
Michael G. Fritz hat nach seinem großen Erfolg mit »Die Rivalen« wieder einen Roman geschrieben, der dem Leser alles bietet: ein Erzählen über das Leben, wie es der Leser kennt und liebt, bis es seine geheimen Geschichten offenbart.
Michael G. Fritz, geb. 1953 in Ostberlin, Studium der Tiefbohrtechnik, Exmatrikulation aus politischen Gründen, 1993 rehabilitiert und Zuerkennung des Diploms. Verheiratet, zwei Kinder, lebt als Schriftsteller und Kritiker in Dresden und Berlin. Veröffentlichung von Prosa seit 1980. Übersetzungen einzelner Texte ins Polnische, Rumänische, Englische, Französische und Italienische. Mehr Informationen unter http://www.michaelgfritz.de.
»Spätestens seit seinem 2007 erschienenen Roman Die Rivalen wird Michael G. Fritz als Geheimtipp unter deutschen Erzählern gehandelt. Sein Roman Tante Laura gibt Anlass zu der Vermutung, dass er nicht im Geheimen bleiben wird. Fritz erzählt eine Geschichte voller Tragik und Merkwürdigkeiten, mit einer rätselhaften, ebenso anziehenden wie abstoßenden weiblichen Hauptfigur, deren groteske Gemeinheit und beunruhigende Präsenz nicht nur in der Literatur der Gegenwart ihresgleichen sucht. Die Geschichte wartet streckenweise mit atemberaubenden Handlungsbögen auf, die in ihrer lakonischen Knappheit und oft bestürzenden Genauigkei an Georges Perecs beste Geschichten erinnern. In Verbindung mit großartig eingefügten Tempowechseln und dem aus der Distanz mitschwingenden Humor offenbart dieses Erzählen beeindruckende kompositorische Sicherheit. Tante Laura ist eines jener Bücher, bei denen man zwischendurch vergisst, dass man liest.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Juli 2009
»Dem Autor gelingt es, mit seinen vagen Andeutungen und diffusen Anspielungen eine immense Spannung aufzubauen, so dass die LeserInnen den Roman gar nicht mehr aus der Hand legen wollen.«
Evangelisches Literaturportal e.V., 2008
»Michael G. Fritz gelingt es mit diesem schmalen Roman, ein unglaublich dichtes Geschehen von höchster politischer Dramatik zu entfalten; zugleich aber legt er mit ihm einen der intensivsten Liebesromane der letzten Jahre vor, dessen erotische Offenheit in keinem Moment auf jene Art von Tabubruch spekuliert, die seelischer Armut oder zynischem Kalkül entstammt.«
Die politische Meinung, August 2008
»Ein faszinierendes Buch. Mit anstrengungsloser Genauigkeit gestaltet Fritz die Verankerung der Figuren und Ereignisse in der Zeitgeschichte vor und nach 1989. Und über allem die Sprache des Dichters, die an Fluss und Feinheit, Bildhaftigkeit und Besonnenheit, Scharfsicht und Präzision erneut gewonnen hat.«
Sächsische Zeitung, 12. August 2008
»Der Roman führt den Leser anfangs gekonnt hinters Licht. So unspektakulär er im Teil I beginnt, so dramatisch steigert sich die Geschichte im Teil II. Michael G. Fritz ist ein intelligenter und auch ein amüsanter Erzähler.«
Neues Deutschland, 28. August 2008
»Mit seiner Titelfigur ist Michael G. Fritz eine literarische Gestalt gelungen, die im Gedächtnis bleiben wird. Der Autor versteht es, so packend zu erzählen, dass man sein Buch nur ungern zwischendurch beiseitelegt. Hier hat einer alles im Griff - sein novellistisches Erzählen kennt kein Zuviel und kein Zuwenig. Er trifft die Töne, seine Bilder sind stimmig, die Dialoge pointiert. Erzählerische Ökonomie und Logik walten wie von selbst, vollständig anstrengungslos scheint das auf's Blatt gebracht worden zu sein. Was sich in seinen vorangegangenen Büchern bereits andeutete - am eindrucksvollsten bis dato wohl in den Rivalen (2007) -, findet damit Bestätigung: Michael G. Fritz gehört zu den interessantesten, anregendsten und stilsichersten Schreibern seiner Generation, auch wenn er momentan kaum mehr als ein Geheimtipp für Eingeweihte zu sein scheint und eine wirklich breite Rezeption seiner Werke leider noch aussteht. Aber haben es die Besten nicht zu allen Zeiten schwer gehabt?«
poetenladen.de, 31. August 2008
»Es ist schlichtweg ein Lesevergnügen, dieses gut verarbeitete Bändchen von knapp 200 Seiten.«
SAX, Oktober 2008
»Michael G. Fritz erweist sich einmal mehr als Meister einer erzählerischen Struktur, in der ein gehüteter Schein dämonisch langsam von der Vergangenheit eingeholt wird. Erst im zweiten Teil des Romans eröffnen sich dem Leser die unerhörten Zusammenhänge, hier wird in die Tiefen menschlicher Psyche geführt, in die Abgründe berechnender Begierden und Abhängigkeiten. Mit seinem subtilen Horror bietet dieser Roman zugleich eines jener hintersinnigen Lesevergnügen, für die schon Brecht den Ratschlag gab: 'Lies langsam, denn allzu schnell wird der ungelesene Teil dir dünn!'«
Freie Presse, 2./3. Oktober 2008
»In der Eingangsszene baut Michael G. Fritz mit wenigen Sätzen eine ungeheure Spannung auf und lässt zugleich das Wichtigste wie in einem Leitmotiv anklingen: Das Geheimnisvolle, was diese titelgebende Tante Laura umweht. Wie hier nicht nur erzählt und beschrieben wird, sondern die Sätze dieses gewisse Etwas, eine Art Aura um diese Person schaffen - das ist einfach meisterhaft. Kurzum: Dieser Roman bereitet nicht nur höchstes Lesevergnügen, er verschafft uns die Bekanntschaft mit einer der faszinierendsten Frauengestalten der Gegenwartsliteratur. Ein spannender, sprachlich exzellenter, ein großartiger Roman.«
Dresdner Neueste Nachrichten, 11./12. Oktober 2008
»Es ist eine unheimliche Geschichte in zwei Teilen, die Michael G. Fritz in seinem jüngsten Roman erzählt. Ein Thriller, wenn man so will, der fast betulich beginnt, morbide an Fahrt gewinnt und im Stillstand endet, der nichts von befreiender Katharsis an sich hat. Fritz erzählt die Geschichte aus der Sicht seines biederen Helden Martin, der selbst in seinem Unglück noch tapfer um Fassung bemüht ist. Spannend an diesem Roman aber ist die Figur der Laura. Die wird man so leicht nicht vergessen.«
Mitteldeutsche Zeitung, 29. November 2008
»Ein überaus gelungener Roman. Abgesehen davon, dass die Fritzsche Sprache so präzise und fein, so genau ist, ist dieser Sommerroman enorm spannend, so dass man die 190 Seiten fast in einem Zug liest.«
Radio FDZ
Das Gemüse hatte ich im Supermarkt auf dem Weg vom Strand zum Grundstück besorgt, ich hängte die Tüten an den Lenker und traf kurz nach Katja und den Söhnen ein. Also, wie heißt sie, löcherte mich meine Frau, wie sie schon den ganzen Tag über nicht lockergelassen hatte. Sie hat Martin gesagt auf eine Art, da muß man nicht mehr fragen, wie gut sie dich kennt. Wenn sie nicht um so vieles älter wäre, würde ich sonst was denken. Ich holte die Fische aus dem Kühlschrank, die steifen Leiber, und begann, das Gemüse zu putzen.
Hast du keine Ahnung?
Ich bin mir nicht sicher, wich ich aus. Wenn ich durch dieses Essen die nervtötende Musik abstellen kann, koche ich und bewirte sie sehr gern. Und ebenso werde ich sie nachher verabschieden.
Du bist so abweisend. Sie ist wirklich nett. Allerdings weiß ich gar nicht, wie wir auf das Abendessen zu sprechen kamen, nur daß auf einmal feststand, daß sie uns besucht. Martin, wer ist sie?
Die Zander hatten ihren Platz auf dem Tisch im Garten eingenommen, die Gemüsepfanne dampfte daneben, und die Kerzen schütteten ihr Licht über uns vier Wartenden. Ich hoffte noch, daß es Laura, zu der ich Tante Laura sagte, immer Tante Laura gesagt hatte, doch zu dumm sei nach den vielen Jahren und sie gar nicht erscheinen, in aller Stille abreisen würde. Aber das gehörte nicht zu ihrem Plan, und daß sie einen Plan verfolgte, spürte ich an diesem Abend schon, an einen Zufall mochte ich bei allem, was geschah, nie glauben. In dem Moment, da ich erklärte: Jetzt fangen wir aber an, der Fisch wird noch kalt, trat sie gelassen aus der im Dunklen liegenden Kulisse heraus. Hatte sie uns zugehört? Sie hatte sich nicht etwa am Gartentor bemerkbar gemacht oder vom Nachbarzaun her ihr Kommen angekündigt, sie befand sich unvermittelt unter uns, und mit ihr breitete sich ein Parfüm aus, von dem ich überzeugt war, es schon einmal gerochen zu haben, ein dezenter herber Geruch. Katja, die ebenfalls an ihr Parfüm gedacht und zwar etwas mehr als sonst aufgetragen hatte, erhob sich. Ich freue mich, daß wir uns endlich kennenlernen, sagte Tante Laura und streckte meiner Frau die Hand hin, in die sie mit herzlicher Geste einschlug. Martin wird wohl nichts erzählt haben, das sieht ihm ähnlich. Mit diesen Worten trat meine Tante auf mich zu und fragte: Oder täusche ich mich.