Annette Hildebrandt/Lothar Tautz
Protestanten in Zeiten des Kalten Krieges
Der Wittenberger Kirchentag zum Lutherjubiläum 1983 im Fokus der Staatssicherheit
Studienreihe der Landesbeauftragten, hg. von der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Bd. 8
160 S., Br., 148 × 210 mm, mit s/w-Abb.
ISBN 978-3-95462-878-0
Erschienen: April 2017
Wohl kaum eine Handlung in der DDR ist bis heute derart im öffentlichen Bewusstsein verankert, wie das symbolische Umschmieden eines Schwerts zu einer Pflugschar auf dem Kirchentag vom 22. bis 25. September 1983 in Wittenberg. Eingebettet in eine Zeit atomarer Hochrüstung der beiden Militärblöcke, gab er mit seinem Motto ein wichtiges Signal im Jahr des 500. Geburtstages von Martin Luther: »Vertrauen wagen«.
Dass der Staat damals kein Vertrauen wagte, wird aus der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR rund um dieses Ereignis deutlich. Bereits am 3. Oktober wurde SED-Chef Erich Honecker ein zusammenfassender MfS-Bericht von Erich Mielke vorgelegt. Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, bezeichnete den Kirchentag im Rückblick als »schlimmsten Kirchentag von allen«.
Die SED hatte die Breitenwirksamkeit und internationale Aufmerksamkeit der kirchlichen Jubiläumsveranstaltungen, insbesondere der Kirchentage, zunächst unterschätzt und wachte nun mit Argusaugen über jede Regung protestantischer Aktivisten. Ob es Bischöfe, Pfarrerinnen oder schlichtweg Protestanten im Laienstand waren, das in ihrem Auftrag handelnde Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sah in ihren Aktivitäten rundweg das Wirken »feindlich negativer Kräfte«.
Mithilfe von verschiedenen Dokumenten aus kirchlicher und staatlicher Überlieferung, Gesprächen mit Zeitzeugen und eigenen Erfahrungen gelingt es Annette Hildebrandt und Lothar Tautz diese (kirchen-)politisch nachhaltigste Großveranstaltung im Lutherjahr 1983 einem breiten Publikum zu erschließen. Prinzip ist es, die Quellen selbst sprechen zu lassen – in den historischen Kontext gestellt und behutsam kommentiert –, und da, wo diese nicht aus sich selbst heraus verständlich sind, mit Erläuterungen zu versehen.
Annette Hildebrandt, geb. 1954 in Ost-Berlin, ist gelernte Assistentin für Stimm- und Sprachtherapie. Nach 1989 arbeitete sie als Geschäftsführerin der Berliner Domkantorei und Assistentin am Europäischen Parlament sowie als Geschäftsführerin des Evangelischen Kirchentages in Mitteldeutschland. Sie ist Preisträgerin des Halberstädter Minna-Bollmann-Preises. Heute leitet sie in Heldrungen (Thüringen) ein Projektbüro für politische Bildung und Kulturmanagement, arbeitet als Schriftstellerin und ist ehrenamtliches Mitglied im Integrationsbeirat des Kyffhäuserkreises.
Von ihr erschienen u.a. die literarischen Dokumentationen »Don’t Worry, Be Happy – Aus dem Leben eines Mauerkindes« (mdv 2000) und »Liebe Regine – Erinnerungen zum Weiterleben« (EVA 2004) sowie der Roman »Abrahams Töchter« (EVA 2009).
Lothar Tautz, geb. 1950 in Erfurt, ist Diplompädagoge, Theologe und Pastor. Vor 1989 arbeitete er als Geschäftsführer des Kirchentages in der Kirchenprovinz Sachsen und als Jugendpfarrer in Weißenfels. Nach den Volkskammerwahlen 1990 baute er in verschiedenen Ministerien der DDR den öffentlichen Dienst mit auf. Nach dem 3. Oktober 1990 arbeitete er u.a. im Bundeswirtschaftsministerium und in der Magdeburger Staatskanzlei. Seit 2008 gehört Tautz dem Bundesvorstand des Vereins »Gegen Vergessen-Für Demokratie« an und ist als Landessprecher in Sachsen-Anhalt ehrenamtlich tätig.
Von ihm erschienen u.a. die literarischen Dokumentationen »Don’t Worry, Be Happy – Kleiner Pionier was nun?« (mdv 2000) und »Ich werde dann gehen – Erinnerungen an Oskar Brüsewitz« (EVA 2006). Lothar Tautz und Annette Hildebrandt sind miteinander verheiratet und leben in Heldrungen.
»Dieses Dokument zeigt ein Bild, das unterstreicht, dass vieles doch ganz anders wenn auch beobachtet ablief als vorherbestimmt und geplant.«
Der Medienbrief, 1.2018
»Ein Seitenhieb, getrieben von Insiderwissen.«
Andreas Montag, Mitteldeutsche Zeitung, 10. Mai 2017
»Die Herausgeber rücken die bis heute wirkenden Schmerzen und Dissonanzen ins Blickfeld. In diesem Sinn ist das Buch mehr als ein Erinnerungsbuch.«
Christian Dietrich, Glaube und Heimat, 24. September 2017