Pečar, A./Würth, I.: Verketzerungsprozesse
Andreas Pečar/Ingrid Würth (Hg.)
Verketzerungsprozesse
Kontinuität und Wandel religiöser Ausgrenzung in der Vormoderne (12.–17. Jahrhundert)
Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts, Bd. 33
Fachbuch
ca. 336 S., geb., 155 × 230 mm, s/w-Abb.
ISBN 978-3-68948-031-8
ET: Februar 2026
Wie Luthers Fake News den Bauernkrieg beeinflussten
Im Vorfeld des Bauernkriegsgedenkens 2025 wurde auf einer wissenschaftlichen Tagung in Stolberg ein Phänomen in den Blick genommen, das bei der Auseinandersetzung mit Thomas Müntzer und anderen Vertretern der „radikalen Reformation“ eher selten beachtet wird: die „Verketzerung“ dieser Gruppierungen durch die etablierten Wittenberger Reformatoren. Luther und Melanchthon lenkten die Berichterstattung über Müntzer und die von ihm angeblich angestifteten Bauern sowie über die Täufer bewusst so, dass das rigide Vorgehen gegen die Aufständischen aus religiöser Perspektive gerechtfertigt wurde. Die radikalen Ansichten und Aussagen ihrer Gegner sind dabei oftmals nur in Schriften der Reformatoren erhalten. Dieses Verfahren, Konkurrenten jeglicher Art – politischer, sozialer, religiöser – durch Häresievorwürfe zu schädigen und in letzter Konsequenz auszuschalten, ist im 16. Jahrhundert jedoch keineswegs neu. Bereits im Mittelalter wurde es in verschiedenen Kontexten zur Anwendung gebracht.
In einem epochenübergreifenden Zuschnitt wurde auf der Tagung der Mechanismus der Verketzerungen untersucht, angefangen mit der „Erfindung“ der Katharer im 13. Jahrhundert. Den Schwerpunkt bildete jedoch der mitteldeutsche Raum im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert. Die Beiträge befassten sich mit Häresievorwürfen und deren Instrumentalisierung in sozialen und politischen Konflikten im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, z. B. im städtischen Kontext oder in den Auseinandersetzungen der Reformationszeit mit den Anhängern Müntzers, den Täufern und anderen devianten Gruppierungen. Im Vergleich mit spätmittelalterlichen Vorläufern und späteren frühneuzeitlichen Ausgrenzungsphänomenen wurde bewertet, inwiefern die Ausgrenzungsmechanismen der Wittenberger Reformatoren sich in lange Traditionslinien einbetten lassen oder aber durch besondere Merkmale der Verketzerung hervortreten.
Prof. Dr. Andreas Pečar, geb. 1972, studierte Mittelalterliche, Neuere und Alte Geschichte sowie Germanistik in Freiburg und Köln. Er ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
PD Dr. Ingrid Würth, geb. 1978, studierte Mittelalterliche Geschichte in Jena und Siena. Sie ist Wiss. Referentin bei der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung und Mitglied der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt.




