Bartsch, K./Götze, W.: »In all dem herrlichen Chaos«

PDFDrucken
Verkaufspreis24,95 €

Beschreibung

Kurt Bartsch/Wasja Götze
»In all dem herrlichen Chaos«
Briefe von 1982 bis 1989
Herausgegeben von Irene Böhme

320 S., geb., 135 × 210 mm, Farbabb.
ISBN 978-3-95462-881-0

Erschienen: Mai 2017


Zwei Künstlerleben – zwischen Ost und West

Zwei Freunde, zwei Lebenswelten. Der eine, Dichter, geht nach seinem Protest gegen die Ausbürgerung Biermanns und Veröffentlichungsverbot in den Westen. Der andere, Maler, bleibt im Osten. Was bisher besprochen, doch niemals ausgesprochen wurde, muss nun aufs Papier. In unbekümmerter Tonart – skurril, witzig, wehmütig, nachdenklich – offenbaren die Freunde nicht nur die Plagen bei der Kunstproduktion, auch Abstürze, Niederlagen und utopische Hoffnungen. Ein außergewöhnlicher Briefwechsel, der sich wie ein Roman liest.

Autoren

Kurt Bartsch (1937–2010); ab 1966 freischaffender Autor für Zeitungen, Theater, Kabarett, Film-und Fernsehen, seit 1969 Hausautor der Volksbühne Berlin, 1976 Unterzeichner der Biermann-Petition, 1979 Ausschluss aus dem Schriftstellerverband, 1980 Ausreise nach West-Berlin, schrieb weiter Stücke, Lieder, Gedichte, Musicals, Drehbücher.

Wasja (Bernd) Götze, geb. 1941; freiberuflicher Maler, ab 1962 Studium an der Hochschule Burg Giebichenstein Halle, 1968 Diplom, 1967 Erfindung der »Petersbergralley«, eigene Hofgalerie, ab 1969 Wandermusikant, Bühnen- und Kostümbildner, 1976 Unterzeichner der Biermann-Petition, 1990 Abgeordneter für das Neue Forum.

Leseprobe

Berlin, den 24.3.1988

Mein lieber Wasja,

… C. und J. aus Hamburg hatten erfahren, daß ehemalige DDR-Bürger, die ihr Ländchen vor 83 verlassen haben, ab dem 1.1.88 wieder einreisen dürften. Und siehe, es hat geklappt. Auch André B., der verlorene Sohn (der noch in Heidelberg wohnt und arbeitet), hat schon mehrfach die Grenze überschritten, seine alten Freundinnen (Andrea z. B.) und die neuen Kneipen der Hauptstadt besucht. …

Chris erzählte uns von einer Geburtstagsfeier bei Heiner Müller, bei der (neben 120 Pißmiezen und -knaben) auch »Makko« Marquardt anwesend war. Da einer der Knaben seine Hand wiederholt auf Dorits Knie legte, griff Makko in vorgerückter Stunde zum Fleischermesser und stürzte sich auf den Unhold. Erst durch das Dazwischenwerfen der Genossen Müller, Montag und Gwisdek konnte Makkos erster Mord verhindert werden. Über 20 Minuten währte der Kampf. Dann mußte Fritz sich übergeben. Kaum war er vom Klo zurück, griff er erneut zum Messer usw. usf. Wie in alten Zeiten …

Darauf ein Glas Nost! Kurt

---

Berlin, den 7. April 1988

Mein lieber Waschenko,

während man sich in Moskau und in einer anderen europäischen Hauptstadt langsam auf Gorbi einschießt, schießen wir uns auf leerstehende Immobilien ein. Bisher war alles zu groß oder zu klein, zu teuer oder zu häßlich. Wenn wir demnächst schon auf einem Schuldenberg sitzen, wollen wir wenigstens eine schöne Aussicht haben. …

Am 13.4. fahren wir gen Norden, um in den folgenden 4 Wochen ein Häuslein zu suchen und natürlich zu finden. … Unsere Bekannten im Norden, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Carin und Jörg suchen fleißig mit. Sie schneiden am laufenden Band Annoncen aus, tüten sie ein und füttern unseren Briefkasten, der vor Maklerpost überläuft.

Hast Du den Rossija-Artikel im ND gelesen? (Ostersamstag). Ich kenne vollständig nur den Antwortbrief in der Prawda, in dem die Stalinistenbrut hübsch eins über den Schweinerüssel kriegt. (Aber es wird nichts nützen, die Rüssel sind in der Überzahl.) …

Ich umarme Dich und gebe der Maus ein Küßchen. Dein Kurt

PRESSESTIMMEN

»So werden zwischen freundschaftlichen Grüßen und alltäglichen Schilderungen […] die politischen Veränderungen in den Zeilen spürbar, gewürzt mit Anekdoten aus der DDR-Künstler- und Theaterszene rund um Halle an der Saale in den 1980er Jahren.«
Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 30.2018

»Das Buch bietet Eindrücke, Gedanken und Sehnsüchte, die in keinem Geschichtsbuch stehen.«
Der Medienbrief, 1.2018

»Das Buch zeigt: Die deutsche Vor-89er-Kulturgeschichte ist nur als eine Ost-West-Geschichte zu begreifen - kommerziell und personell vielfach verbunden; im Westen hörte die DDR nicht auf.«
Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung, 07. Juni 2017

»Es ist eine sorgfältige, schön gearbeitete Ausgabe, vor allem die farbigen Repros der Malerbriefe Wasja Götzes sind ein Vergnügen.«
Klaus Pankow, Ossietzky, August 2017

»Es berührt, wie da zwei Menschen, zwei Familien Deutschland erzählen. So weltgewandt im Dörflichen des Ostens, so nähetreu in der Weltweite des Westens. Als farbige Faksimiles beigegeben: einige der Briefe Götzes – (typo)grafische Kunstwerke.«
neues deutschland, 10. Oktober 2017

»berührende, lustige, zeitgeistige Briefe.«
Eulenspiegel, Oktober 2017