Fraisse, O./Lenz, J. O.: Europäische Aufklärungen und „rassistische“ Abwertung
Ottfried Fraisse/Jacob Ole Lenz (Hg.)
Europäische Aufklärungen und „rassistische“ Abwertung
Analysen und Reaktionen jüdischer Denker:innen
IZEA – Kleine Schriften 17/2026
Sachbuch
112 S., Br., 130 × 200 mm
ISBN 978-3-68948-075-2
ET: März 2026
Ein kritischer Blick auf die europäische Aufklärung
Wie an der vermehrt unter anderem an Kant geführten Diskussion in den letzten Jahren deutlich wurde, enthält die Aufklärung aus heutiger Sicht rassistische Stereotype. Auch die Judenfeindschaft war Teil der Aufklärung, wie sich exemplarisch an Voltaires „Dictionnaire philosophique“, Fichtes „Versuch einer Critic aller Offenbarung“ oder dem frühen Hegel zeigen lässt.
Die Autoren – Teilnehmer des Workshops „Europäische Aufklärungen und ‚rassistische‘ Abwertung“ ging von zwei Impulsen aus: dem 200. Todestag Saul Aschers (1767–1822) – kehren diese Blickrichtung um und fragen: Wie haben zeitgenössische jüdische Denker*innen „rassistische“ Ideologeme der europäischen Aufklärung bewertet? Haben maskilische Denker*innen ethnische bzw. „rassistisch“ motivierte Ausgrenzungstendenzen auf ihre Ursachen in den europäischen Aufklärungen selbst untersucht und kritisiert?
Michael Lesley untersucht, warum „Judaism became Religion“. Er vergleicht Mendelssohns Konzept einer „allgemeinen Menschenreligion“ mit dem liberalen Religionsbegriff Johann Salomo Semlers. Beide verknüpften äußere (partikulare) Religionspraxis mit innerer (universaler) Humanität, entfernten sich vom Dogmatismus und formulierten Ansätze gegen rassifizierende und antisemitische Exklusionslogiken. Doch während Mendelssohn stets auch politische Gleichstellung forderte, blieb Semlers Theologie auf das Christentum beschränkt.
Antonia Steins analysiert Mendelssohns Jerusalem als indirekte Antwort auf Christoph Meiners’ Fremdschau. Sie zeigt, dass Meiners in seinen anthropologischen und religionshistorischen Schriften dieselbe Methode beibehielt: religiöse Differenz in rassifizierte Ungleichheit zu überführen. Mendelssohns Konzept von Toleranz und Deutung religiöser Differenz kontert diese vermeintliche Objektivität durch eine normative Rationalität, die Differenz als Bedingung von Emanzipation begreift.
Jakob Ole Lenz widmet sich Saul Ascher als kritischem Erben der Aufklärung. Er zeichnet dessen Weg von der Auseinandersetzung mit Kant und Fichte über naturrechtliche und revolutionstheoretische Schriften bis zur Sklavereikritik nach. Ascher übersetzte Grégoires „De la Littérature des nègres“ und betonte, dass Menschen „nicht in Stämme und Rassen einzuteilen“ seien. Seine Angriffe auf die nationalistisch-romantische Germanomanie (1815) machten ihn zur Zielscheibe späterer antisemitischer Polemik – Treitschke sprach noch Jahrzehnte später von Aschers „jüdischer Frechheit“.
Prof. Dr. Ottfried Fraisse studierte protestantische Theologie, Semitische Sprachen und Arabisch. Er ist Lehrstuhlinhaber (W3) des Seminars für Judaistik/Jüdische Studien der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Jacob Ole Lenz M.A. studierte Politikwissenschaft und Humanities (B.A.) sowie im Masterstudium Parlamentsfragen und Zivilgesellschaft. Er ist Doktorand an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.




